Erfahrungsbericht Prophetie und Missbrauch

Hey Leute von cleansed.de! Hab mir vieles durchgelesen. Habe nichts über Prophetie entdeckt. Denn auch damit wird geistlicher Missbrauch gemacht. Und wie! Ich möchte euch erzählen, was da bei mir und anderen abgelaufen ist. Das sind alles authentische Fälle. Würde mich ja wundern, wenn derartiges sonst keinem bekannt vor käme.

Vorweg: ich bin schon lange Christ. Habe kein leichtes Leben gehabt, aber dafür Zeiten tiefer Verbindung zu Jesus und zum Vater.

Einmal ging ich wegen verschiedener trauriger und schmerzvoller Ereignisse in meinem Leben durch depressive Phasen, was ich insgesamt für natürlich halte, denn jeder kommt mal an seine Grenzen. Mich erreichtem damals keine konkreten Hilfen von Gott, aber ich wusste, er ist trotzdem da, und, soweit ich das konnte, betete ich auch, und erzählte ihm alles, was mich bewegte. Ja - das vor allem. Ich versteckte nichts vor ihm. Zu jener Zeit hatte ich schon einige Monate wöchentlich eine Hauskirche besucht. Kommt also mit mir in das große Wohnzimmer, wo immer viele Leute kamen, wenn wir uns trafen. Eines Abends war dort eine Frau zu Gast, die wohl sehr wichtig war. Ich hatte sie davor etwa zwei mal dort gesehen. Es stellte sich heraus, sie war Missionarin. Sie hatte vorher wohl etwas von mir mitbekommen über meinen Zustand, eben, dass ich einiges hinter mir hatte. Der Abend drehte sich sehr stark um sie. Der Leiter hob immer wieder hervor, dass sie etwas Besonderes sei. Wir kamen schließlich in eine Anbetungs- und Lobpreiszeit. Dann wurde gefragt, wer Gebet wünsche. Damals rang ich mit mir - einerseits waren die Leute neu, andererseits bin ich jemand, der auch mal einen mutigen Schritt tut, ob da nicht auch was Positives hervorkommen kann. Na, ich meldete mich also an. Nachdem der Leiter erst für ein, zwei andere Personen gebetet hatte, kam er zu mir und betete ganz gut. Allerdings schloss er mit dem Satz: »Vielleicht hat er ja auch selbst mit verschuldet.« Das fühlte sich komisch an. Aber wir sind ja demütig - was ja auch notwendig war, wenn über zehn Leute zuhören. ;-)
Es war still in dem Raum. Einige Minuten später hob die Missionarin an: »Klaus, ich glaube Gott will Dir sagen...« Sie gab mir dann sinngemäß zu verstehen, dass die Anlässe für meine Verzweiflung und meine Fragen (ich hatte gar keine) nicht von Gott gewesen seien. Und dass das für den Dienst aber zweckmäßig gewesen wäre. Sie fasste sogar früheres Schmerzhaftes aus meinem Leben damit hinein.
Ich nickte sogar dankend. Ich war verwirrt, zitterte im Inneren und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Auf dem nächtlichen Weg nach Hause sann ich darüber nach. Da hat jemand gerade also in wenigen Sätzen ein erklärendes Statement über Jahrzehnte meines Lebens gemacht. Ich fragte, Herr, warst du das? Hat sie das auf dein Geheiß hin getan? Beantwortest du meine tiefsten persönlichen Fragen auf diese Art: unaufgefordert, vor vielen Anwesenden, die mithören, und auf diese Art? Nein, schoss es in mir hoch. »Das ist doch so läppisch. So nebenbei. So kurz abgehandelt. Die kennt mich doch gar nicht. Jesus, lieber möchte ich keine Antwort und in Frieden mit dir schweigen, als so etwas. Ich glaube ihren Worten nicht. Sie haben kein Gewicht gegenüber dem, was du - der mich durch alles begleitet hat, mir zu sagen hättest.« Nun kochte ich, denn mir wurde klar, dass es Anmaßung und Lüge war. In der Heftigkeit, als würde man einem Häftling nach 15 Jahren entlassen und ihm am Tor sagen: »Wir teilen dir mit, du hast unschuldig gesessen. Nimm diese zehn Euro für einen schönen Tag und mach dir nichts draus.«
Ich hoffe, Leser, dass ihr versteht. Mein Leben war, sagen wir ein Blues gewesen. Höhen und Tiefen. Aber mit einer heiligen Feierlichkeit auch über den Tiefen, weil Gott immer bei mir gewesen war. Lieber nie eine Antwort, lieber in glaubender Stille bleiben und Gottes vorübergehendes Schweigen vertrauend abwarten, als so eine billige Erklärung und Abfertigung, die einem dann alles erleuchten soll! Heute kann ich mir das nur so erklären, dass diese Missionarin sich irgendwie profilieren musste, nachdem sie so gelobt worden war. Dazu war ich ihr gutes Opfer, denn vor den Anderen hat́s sicher einen Ehrfurcht gebietenden Eindruck gemacht, dass sie so schwerwiegende Worte über mich gesprochen hat. Bevor sie dann wieder abreiste, sah ich sie in einem Gottesdienst. Ich steckte ihr vor dem Verlassen einen Zettel zu, in welchem ich alles zurückwies, was sie gesagt hatte. Dann trennten sich die Wege. Es kam keine Reaktion mehr von ihr, auch später nicht. Wenn ich sie jemals wieder sehe, werde ich sie zur Rede stellen.

Jetzt die Story von einem Ehepaar. Die beiden waren schon über dreißig, und so froh sich gefunden zu haben. Zwei Wochen nach ihrer Hochzeit fuhren sie aus den Flitterwochen direkt zu einem christlichen Eheseminar, weil sie dachten, dass könne nur sinnvoll sein für ihre Ehe. Das Seminar endete nach zweieinhalb Tagen. Die Sprecher waren eine Pastoren- und Psychologen-Ehepaar. Die Frau betete dann zum Schluss für die, die das wollten. Das junge Ehepaar ging nach vorn und bekam von der Sprecherin unter anderem diese Worte gesteckt: »Eure Ehe wird schnell stark erschüttert werden, schwierig werden miteinander. Es wird bis an eure Grenzen gehen. Bis an den Nullpunkt. Ihr müsst viel beten.« Das jung vermählte Paar verließ das Seminar mit dem Gefühl großer Ernüchterung. Sie fuhren den Schwierigkeiten entgegen. Die große Freude hatte einen gewaltigen Kratzer bekommen. Dass es in Ehen auch Probleme gibt, war ihnen selbst klar gewesen. Aber nun sollten sie schon wissen, dass sie miteinander Schwierigkeiten haben würden. Nach fünf Jahren wurden sie geschieden. Man kann wohl nicht sagen, dass die Prophetie der Sprecherin allein das verschuldet haben mag, aber es hat richtungsgebend beeinflusst. Das junge Paar hatte nie die Chance gehabt, die Kraft der eigenen Liebe in echter Weise zu erleben. Die Originalität ihrer Beziehung war durch unverantwortliches Handeln einer angeblich prophetisch begabten Leiterin gefärbt worden. Ist es nicht besser, in manchem nichts zu wissen?

Ich habe vieles in Sachen Prophetie miterlebt. Dabei glaube ich grundsätzlich an Prophetie, halte sie für biblisch in der Form einer Gabe. Ich habe auch echte Prophezeiungen bekommen. Diese erfüllten sich alle ganz rasch, nach wenigen Tagen, so dass an der Echtheit nicht gezweifelt werden konnte. Doch vor allem hatten sie eines gemeinsam: sie erzeugten Freude, sie bauten auf, sie bestärkten im Guten, sie bewirkten in mir ein größeres Maß an Lob und Dankbarkeit wegen Gottes Vollkommenheit, seiner Allmacht und seiner Weisheit.

Doch sah ich viele unreife Menschen, die sich prophetisch versuchten und damit Schaden anrichteten. Und ich sah viele Christen, die fast beständig ein neues prophetisches Wort für ihr Leben von jemandem suchten, damit dann aber nie ruhig und froh wurden, und schon bald wieder das nächste brauchten. Ganz ähnlich finde ich es mit dem Händeauflegen von Leitern und reisenden Propheten und Predigern. Da sind Christen, die immer wieder die Hände aufgelegt bekommen wollen, wöchentlich, überall wo gerade jemand der »Generäle Gottes« in der Stadt ist und es Veranstaltungen gibt. Drei Beweggründe wurden mir immer wieder klar: die einen wollen Zuneigung und Zuspruch haben auf diesem Weg. Oft sind es Alleinstehende. Einsame. Sie warten darauf, einmal das Entscheidene gesagt zu bekommen, was ihnen die bahnbrechende innere Heilung und Veränderung bringen würde. Andere suchen ganz ähnlich eine Bestätigung für ihren Dienst zu bekommen, damit sie herausgehoben werden aus der Masse, und im Leib etwas Besonderes werden können. Da ist dann wohl Minderwertigkeitsdenken in Spiel. Die dritte Gruppe sucht Antworten auf ganz konkrete Probleme, z.B. Heilung und Finanzen: sie warten auf das entsprechende Rhema. Allen gemeinsam ist wohl, dass sie einen Mangel an Hinwendungsvermögen an Jesus selbst und direkt haben. Sie delegieren ihren Glauben an vermeintlich begabtere Menschen und hoffen, dass Gott durch diese zu ihnen sprechen würde. Ich kann all diese Gründe und Motive gut verstehen. Leider bringen sie die Suchenden aber nur selten an das begehrte Ziel. Würde auch sagen, dass der Erfolgszwang in der charismatischen Bewegung für eine Nervosität in den Christen sorgt, welche ein Ruhen in Gott und Vertrauen in schwierigen Zeiten nur wenig zulässt. Das Suchen nach der gewünschten und passenden Offenbarung wird zu einem Alibi für Hingabe und Geduld. Es führt hinein in Unsicherheit über Gott und über seine Pläne mit unserem Leben, und es führt hinein in Abhängigkeit von fehlbaren Menschen.

In Niedersachsen lebte eine Pastorentochter. Sie ging in die Gemeinde ihres Vaters und arbeitete dort mit. Ein in Deutschlands charismatischen Gemeinden nicht unbekannter »Prophet« besuchte auch wieder mal - auf Einladung - diese Christen. Der Tochter gab er die Prophetie, dass ihr künftiger (von ihr lang ersehnter) Ehemann binnen eines Jahres erscheinen würde. Die ganze Gemeinde freute sich mit ihr, auch die Eltern. Es vergingen zwei Jahre bis sie enttäuscht zurückblieb: der angekündigte Bräutigam kam nicht.

Ein in großen Ehenöten steckendes Ehepaar bekam von einem Reiseprediger die Prophetie, sie würden einmal in einem Regierungsprogramm zur Betreuung von Menschen in gefährdeten Ehen mitarbeiten. Vier Jahre später wurden die beiden geschieden.

Ich ging einmal in eine Gemeinde, in der ich einfach nur einem Godi beiwohnen wollte. Darauf die Woche wieder. Bei beiden Gelegenheiten kam einer der Pastoren mit mittendrin zu mir. In penetranter Weise fragte er mich und meine Begleiterin aus und lud uns ein und gab noch ein Wort aus Bibel. Beim zweiten Mal - während der Anbetung - schob er sich in unsere Reihe hinein, vorbei an allen anderen, die mit geschlossenen Augen beteten, bis er vor mir stand und wieder Fragen stellte.

In einer Gemeinde sagte ich dem Pastor, ich wolle künftig bei einem wöchentlichen Projekt einer anderen Gemeinde der Stadt mitarbeiten. Diese verteilten nämlich samstags am Bahnhof Brote und Kaffee an Obdachlose und Drogensüchtige. Der Pastor und eine inzwischen hinzugekommene Leiterin verwiesen mir das mit Entschlossenheit, sagten, dass die Leute von jener Gemeinde geistlich vieles nicht kapieren würden.

»Ich hab neulich in unserem Gebetskreis eine Prophetie bekommen« , sprach Gitte (Name geändert) zu Stefan (Name geändert), einem neuen Mitglied ihrer Gemeinde. »Sie lautete: EIN MANN WIRD GEHEN. Wir glauben, du bist gemeint.« Stefan kaute an diesem Wort. Er war ja gerade erst eingetreten und froh, eine Gemeinde zu haben. Dann so was. Er begann Klärungsversuche mit Gitte auf schriftlichem Wege. Die Prophetie setzte ihn unter Druck. Er sprach schließlich einen der Pastoren an. Der wollte sich darum kümmern. Es kam dann zu einem Dreiergespräch. Darin wand sich Gitte und fing sogar an zu schreien. Doch sie überführte sich aus ihren eigenen Worten. Der Pastor wies die eigentümliche Prophetie zurück und schlug vor, dass die zwei bis auf weiteres keinen Kontakt haben sollten. Stefan war nun froh. Er ging Gitte aus dem Weg, auch als die bald schon wieder Kontakt suchte. Nach weiteren sechs Monaten ging Stefan tatsächlich aus der Gemeinde, aber - der Leser merke auf - aus freien Stücken und unbeeinflusst, nachdem der Hauptpastor (ein anderer) an einer unbiblischen Lehre über längere Zeit hartnäckig festgehalten hatte...

In einer großen missbrauchenden Gemeinde war ich Zeuge wie der oben bereits erwähnte Propheten-Spezi (»Pastorentochter«) Weissagen an Anwesende verteilte. Er deutete auf einzelne in den Sitzreihen, dass sie aufstünden. Dann sprach er sie an. Einem Mann in den Vierzigern, nennen wir ihn Robert, sagte er über die Köpfe von den Hunderten Gästen hinweg: »Du wirst in dieser Gemeinde noch wichtige leitende Aufgaben übernehmen.« Das war schon die Story. Jetzt der Background. Robert ist verheiratet und leitet bereits einen Hauskreis in jener Gemeinde. Seine Frau ist Christin, hergezogen aus einem anderen Land, kommt aber fast nie mit in die Veranstaltungen, denn sie mag diese Gemeinde irgendwie nicht, ist unglücklich dort. Durch die Prophetie tritt nun folgende Situation ein: die Gemeinde setzt sehr auf hierarchische Leitung, Hocharbeiten, Hochdienen, »ordne dich uns unter« und so'n Schietkram. Robert will aufsteigen. Was wird in den nächsten Jahren sein? Er wird vermutlich schon wegen der Prophetie bleiben, weil er meint, sie sei von Gott. Seine arme Frau wird das wohl erdulden müssen...Scheiß Spiel!

Ich hoffe, der Leser wird auch langsam sauer auf den Missbrauch mit Prophetie !

Noch mehr, Leute? Hab ich. Doch erst mal ein Einschub: was mir befremdend ist, das ist der lieblose Umgang mit Homosexuellen in den Gemeinden. Sie werden wie das Gräuel behandelt, völlig unsensibel, vor-verurteilend, über den berühmten Kamm geschoren. Homosexualität zu praktizieren ist Sünde. Keine Frage. Aber das ist Ehebruch auch. Auch Ehebrecherinnen sollten imAT ja gesteinigt werden. Wenn Jesus nun der Ehebrecherin verzeiht, warum dann nicht auch dem Homosexuellen, der bereut und selber leidet? Römer 1, 27 spricht von Gottlosen, die dann auch in Begierden der Homosexualität leben. Aber bedeutet dass in der Umkehrung, dass alle Homosexuellen zwingend Gottlose sind, die abgewiesen werden müssen, weil es keine Gnade für sie geben kann? Zumal wenn sie an der Schwelle des Glaubens stehen und Gott suchen. Ich kann das nicht finden. Man geht mit ihnen um und spricht über sie, als wären sie die Pest. Sind denn dann Jugendliche, die diese Neigung bei sich entdecken, auch schon verworfen? Sie können doch gar nichts dafür. Oder der erwachsene Homosexuelle, der es selbst nicht versteht, es bisher nur so kennt? Sind ihre Sünden größer als andere? Brauchen nicht auch sie eine Zeit, genug Zeit, um erneuert zu werden?

Jetzt zurück zur Prophetie. Es wäre noch zu berichten von dem evangelistisch begabten Prediger, der beim persönlichen Gebet gerne evangelistische Prophezeiungen verteilte, und von dem reisenden Propheten, der in den Gemeinden die prophetische Gabe bei einer Gruppe von Mitgliedern feststellte, so dass von diesen fortan Prophezeiungen erwartet wurden, ob sie sich dem nun gewachsen fühlten oder nicht.

Dann war da noch der Pastor, dem von einem eingeladenen englischen Propheten geweissagt wurde, dass die Struktur und Zusammensetzung der geistlichen Leiterschaft der Stadt (Großstadt) sich ändern würde, und der Pastor dann ein dienender Teil davon sein würde. Dem Pastor war das nicht genug. Er ging nach dem Godi in ein Vieraugengespräch mit dem Engländer. Er kam zurück und erzählte stolz, dass er in der prophezeiten Konstellation der Leiter sogar ein geistlicher Fürst unter ihnen und über das Gebiet der Stadt werden würde.

Das soll's gewesen sein. Macht weiter so bei cleansed. Vielleicht melden sich nun bei euch mehr Leute, die durch prophetischen Missbrauch in Krisen gestoßen wurden.

Euer Klaus